Armenien, ein Land kleiner als die Schweiz, wird immer wieder zum Spielball der Mächtigen. Mehrere Konflikte prägen es bis heute. «Wie ist es, in diesem Land zu reisen und wie begegne ich den Leuten?» Ein Bericht von unserem Teamleiter Michael Krähenbühl.
Nach nur gerade drei Flugstunden ab Wien lande ich mitten in der Nacht in der armenischen Hauptstadt Jerewan. Für mich jedes Mal ein wunderschönes und spannendes Gefühl, in einem unbekannten Land anzukommen und durch die nächtlichen und nahezu menschenleeren Strassen zum Hotel zu fahren. Was erwartet mich die nächsten Tage?
Wo ein Drittel der Bevölkerung lebt
Nach ein paar Stunden Schlaf wartet Aram auf mich. Der junge Armenier ist der Sohn des Inhabers unserer Partneragentur in Armenien und zeigt mir während einer Woche sein Land.
Wir starten mit einer Stadtführung durch Jerewan, der Hauptstadt Armeniens. Hier lebt rund ein Drittel der Bevölkerung Armeniens. Aber längst nicht nur ein Drittel aller Armenier*innen weltweit. Denn Armenien verfügt über eine riesige Diaspora von, je nach Quelle, geschätzten fünf bis sieben Millionen Menschen. Dies im Vergleich zu den drei Millionen, die in Armenien selbst leben. Ein erster Hinweis auf die bewegte Geschichte des Landes.
Quer durchs Land
In den nächsten Tagen reisen wir einmal quer durch Armenien. Das Land ist mit 29'743 Quadratkilometer deutlich kleiner als die Schweiz und lässt sich in acht bis zehn Tagen vertieft bereisen. Wer etwas mehr Zeit hat, sollte eine Weiterreise nach Georgien ins Auge fassen und diese beiden Länder im Kaukasus in einer Reise kombinieren.
Aram zeigt mir wunderschöne Klöster, Kirchen, Festungen und Steinkreuze – Zeugen einer jahrtausendealten Siedlungsgeschichte. Armenien ist gar das erste christliche Land der Welt. Bereits 301 n. Chr. erklärt sich das Land zum christlichen Staat.
Aram erzählt mir schmunzelnd, dass viele Tourist*innen fälschlicherweise davon ausgehen, dass Armenien ein muslimisches Land ist. In Wahrheit bekennen sich aber über 92 Prozent der Armenier*innen zur Armenisch-Apostolischen Kirche.
Der Glaube ist tief verankert und hat auch die Ära der Sowjetunion überlebt, als Religionen weitgehend unterdrückt wurden.
Eine saftige Melone
Genauso faszinierend wie die Geschichte, ist die landschaftliche Vielfalt Armeniens: Die weite Ararat-Ebene ernährt das Land mit unzähligen Früchten und Gemüsen. Im August säumen etliche kleine Markstände die Strassen.
Wir halten, damit ich ein paar Fotos schiessen kann. Sofort kommen wir mit dem Verkäufer ins Gespräch und er offeriert uns eine saftige Melone – was für ein Genuss! Auch sonst ist Armenien ein kulinarisches Paradies mit lokalen und frischen Produkten. Das typische Brot Lavash zum Beispiel, wird in einem unterirdischen Steinofen gebacken und gehört zu jeder Mahlzeit dazu.
Zwei dunkle und traurige Kapitel
Zurück zur Geschichte und zwei sehr dunklen und traurigen Kapiteln. Das eine liegt schon über ein Jahrhundert zurück und prägt das Land dennoch bis heute: Der Genozid an der armenischen Bevölkerung während des ersten Weltkrieges mit schätzungsweise 1.5 Millionen Toten, unzähligen Verletzten und Vertriebenen.
Bis heute wird der Völkermord durch die Türkei nicht anerkannt und es bestehen so gut wie keine diplomatischen Beziehungen zum Nachbarland. Die Grenzen sind geschlossen.
In Jerewan besuche ich den Denkmalkomplex zum Gedenken an die Opfer und das dazugehörende Museum. Das Leid lässt sich nicht in Worte fassen und ich verlasse die Stätte in gedrückter Stimmung.
Frieden für die nächste Generation
Das zweite Kapitel spielt sich im Hier und Jetzt ab: Der Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Bergkarabach. Seit dem letzten Krieg im September 2023 hat Aserbaidschan die Kontrolle über das ganze Gebiet übernommen. 100'000 armenisch-stämmige Menschen sind nach Armenien geflüchtet.
Im Gespräch mit Aram und auch mit anderen Einheimischen spüre ich Hilflosigkeit und auch Enttäuschung über Russland, das aus Eigeninteresse nichts dagegen unternommen, aber auch gegenüber dem Westen, der weitgehend tatenlos zugeschaut hat.
Zugleich bin ich beeindruckt vom Optimismus und der Entschlossenheit der Einheimischen. Sie sind stolz auf ihr kleines Land und wünschen sich für die Zukunft nur eines: Frieden für die nächste Generation.
Reisen in Armenien ist sicher
Reisen nach Armenien sind trotz dieses Konflikts und der Lage Armeniens zwischen der Türkei, Iran und Aserbaidschan sicher. Die Grenzregionen dürfen ohnehin nicht besucht werden. So steht es auch in den Reisehinweisen des EDA.
Ich habe mich immer sehr sicher gefühlt. Auch vom Konflikt oder von geflüchteten Menschen bekommt man wenig bis nichts mit. Als umso wichtiger erachte ich es, dass wir uns darüber informieren und nicht «nur» die köstliche armenische Küche, die grandiosen Landschaften sowie die herzliche Gastfreundschaft geniessen. Ich komme bestimmt wieder.
Gerne berät Sie Michael Krähenbühl für Ihre persönliche Armenien-Reise. Erste Inspirationen gibt es mit unseren Reisevorschlägen unten.